Ich bin die Mutter eines verwöhnten Kindes

Ich bin die Mutter eines verwöhnten Kindes

 

Es gibt viele Erziehungsstile und es gibt mindestens genauso viele verschiedene "Arten" von Kindercharakteren aufgrund dieser Erziehungsstile.

Wenn ich unterwegs bin und ich sehe manche Mütter, die ihrem Kind etwas sagen und es hört einfach, dann beneide ich diesen Mütter oft und komme mir selbst unzulänglich vor. Denn meine Kinder hören selten beim ersten Mal etwas sagen. Oft auch beim zweiten Mal nicht. Vielleicht beim dritten Mal, wenn ich dann schon etwas energischer oder sogar lauter werde. Spätestens aber dann wenn ich Fernsehverbot oder Süßigkeitenverbot erteile - oder tatsächlich laut schimpfe. Ob im Supermarkt, auf dem Spielplatz oder zuhause, das ist egal. Oft habe ich den Eindruck ich sei die einzige Mutter, die fast täglich mit ihren Kindern schimpft, vor allem unterwegs. Manchmal sehe ich aber auch Mütter, die sofort ausrasten bei Kleinigkeiten, wo ich dann wiederum denke "Was hat das Kind denn jetzt schlimmes gemacht? Es hat doch nur geguckt." und dann tut mir das Kind echt leid.

Irgendwann wurde mir dann mal bewusst dass andere Mütter über mich genauso urteilen müssen wenn sie mich manchmal sehen. Gut, ich raste nicht direkt aus bei jeder Kleinigkeit, aber ich werde auch schonmal laut, meine Kinder laufen im Supermarkt oft umher und ich rufe sie dann oder laufe ihnen hinterher, vor allem der Mittlere wirft sich auch schonmal weinend auf den Boden weil ich etwas verbiete was er unbedingt haben möchte.
Und ja, es ist mir durchaus auch unangenehm dann, aber was soll ich machen? Meistens bleibe ich hart, auch wenn es mir schwer fällt und ich die Blicke der anderen Kunden in der Schlange an der Kasse durchaus spüre und weiß was sie denken. Aber ich habe meine Gründe so zu reagieren wie ich oft reagiere. Nur wissen das halt die wenigsten.

Denn ich bin die Mutter eines verwöhnten Kindes. Das weiß ich, schließlich haben mein Mann und ich ihn selbst verwöhnt, und es wird mir auch sehr oft von Freunden oder Bekannten gesagt. "Das hätte ich jetzt aber nicht gemacht, du verwöhnst ihn ja immer mehr, du kriegst noch richtig Probleme mit ihm." Obwohl ich weiß dass sie teilweise recht haben kotzt mich dieser Satz mittlerweile an.

Ja, mein Mittlerer ist verwöhnt. Mein Mann und ich haben ihn verwöhnt. Von Anfang an. Und das hatte seine Gründe. Er war ein Frühchen, lag lange im Brutkasten und war für vieles zu schwach anfangs, ich durfte ihn erst 24 Std nach der Geburt das erste Mal im Arm halten und das auch nur ganz kurz. Es stand die erste Woche nicht fest ob er überhaupt durchkommt. Mit einem Jahr lag er mit dem RS-Virus und einer Lungenentzündung im Krankenhaus, brauchte 1 Woche Tag und Nacht Sauerstoff, weil die Sättigung ohne den Sauerstoff immer auf unter 35 fiel. Auch in dieser Zeit stand nicht fest ob er überlebt, es stand mehrere Male in diesen 9 Tagen kritisch. Doch auch hier zeigte sich wieder was er für ein Kämpfer ist, von Anfang an hat er immer gekämpft und nie aufgegeben. Er hat schon mehrere Operationen hinter sich, auch hier haben uns die Ärzte bei einer Operation (wg. einer Nasenfistel, wo der Gang bis in die Hirnhaut geht) gesagt dass die Chance 50/50 steht dass es gut ausgeht, dass er die Operation überlebt und dass wirklich nichts schief geht. Bei dieser Operation war er keine 3 Jahre alt.

Er hat einiges mitmachen müssen schon und schon so oft kämpfen müssen, nicht nur um zu überleben, sondern auch um einfach mit manchen Situationen fertig zu werden, die ein kleines Kind einfach noch nicht erleben sollte. Und trotzdem ist er ein so toller, meist ausgeglichener und unheimlich fröhlicher Junge, der einfach sehr offen ist, sehr sensibel, sehr anhänglich, sehr wild teilweise weil er sich auch behaupten muss in verschiedenen Situationen. Er ist genauso so wie er ist richtig! Für uns als Eltern. Für die meisten anderen ist er einfach nur verwöhnt. Natürlich ist er verwöhnt, er hat die meiste Zeit oft bekommen was er wollte, wir haben fast immer Rücksicht genommen und nehmen es noch, er wuchs teilweise wie ein Einzelkind auf - sein älterer Bruder ist schließlich 7 Jahre älter und sein jüngerer Bruder 4 Jahre jünger. Er war (ist) unser absolutes Wunschkind und dadurch dass er von Anfang an kämpfen musste und wir uns so oft um ihn sorgten wurde er natürlich in vielen Dingen extrem verwöhnt. Er schlief die ersten 4 Jahre komplett mit bei uns im Bett, wir praktizieren das Familienbett, und seit ungefähr einem Jahr schläft er in seinem Bett in seinem Zimmer ein und wenn er nachts wach wird kommt er zu uns ins Bett. Sein jüngerer Bruder schläft ebenfalls noch mit bei uns im Bett. Wir lieben das Familienbett. Und die Kinder brauchen es und wir genießen es großteils auch.


Wenn man das alles weiß und in Relation sieht ist es sicher nicht mehr so verwunderlich dass er verwöhnt wurde und wird. Aber da es ja kaum einer weiß (bis jetzt) wird eben schnell vorverurteilt. Und ja, ich glaube mittlerweile, auch ich habe oft zu schnell geurteilt, denn meistens kenne ich schließlich auch die ganzen Geschichten und Hintergründe nicht, die hinter manchen Reaktionen stecken. Ich habe mir vorgenommen etwas vorurteilsfreier zu sein und hoffe dass es bei mir auch manche sind.

Ich bin die Mutter eines verwöhnten Kindes - und ich stehe dazu, denn ich liebe mein Kind und er ist toll. Denn ich kenne alle Seiten und Facetten meines Kindes, andere nicht.


Eure Ally


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